Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Neuner,
in der Verwaltungsratssitzung vom 24.09.2013 hatte ich bereits Herrn Stadtkämmerer Jung gebeten, den Stadträten am 23.10.2013 einen Bericht über die mögliche Belastung des städtischen Haushaltes durch Ausgleichszahlungen zu geben. Ich habe mich inzwischen selber eingelesen und möchte nun meinen Antrag durch folgende Anfrage ergänzen und meine Gedanken zu diesem Thema mitteilen:
1. Relevanz der einzelnen Geschäftsbereiche
Das Kommunalunternehmen hat mehrere Geschäftsbereiche. Darunter sind sowohl Dienstleistungen, die dem allgemeinen wirtschaftlichen Interesse dienen (u.a. Daseinsfürsorge), als auch Dienstleistungen von sonstigem wirtschaftlichen Interesse.
Hinsichtlich dieser Geschäftsbereiche stellen sich mir nun folgende Fragen:
a) Freistellungsanspruch des KU gegenüber der Stadt
Aus § 14 Abs. 2 Satz 4 2. HS KUV ergibt sich für mich, dass die Gemeinde nur in sehr begrenzten Fällen zu Ausgleichszahlungen, insbesondere Verlustausgleich, verpflichtet ist. Dies ist auch schlüssig, da wir weiterhin die Erwartung haben, dass das KU Gewinne erwirtschaften wird und so diese Verluste wieder ausgleichen kann.
Eine Ausgleichszahlung ist zumindest nicht ausdrücklich untersagt. Auch die Gefahr einer unzulässigen Beihilfe im europarechtlichen Sinne ist ausdrücklich für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (sog. Daseinsfürsorge) gem. Art. 106 Abs. 2 AEUV eingeschränkt.
- Führt das KU dennoch Dienstleistungen von allgemeinem Interesse aus, die bei Ausgleichszahlungen gemäß Art. 106 Abs.1 AEUV problematisch wären und einen freiwilligen Ausgleich rechtlich unmöglich machen würden?
- Gibt es außerhalb dieser Vorschriften einen Freistellungsanspruch kraft Gesetz und wenn ja, wann liegt dieser vor?
- Wenn sich der Freistellungsanspruch aus § 14 Abs.2 Satz 4 2. HS KUV ergibt, wie ist das Eigenkapital des KU zu bewerten und ab wann kann das KU wieder Rücklagen im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 4 1. HS KUV bilden?
- Welche Rücklagen bestehen beim KU noch und welcher Art sind diese? Würde eine weitere Zehrung des KU von den Rücklagen zu einem Substanzverlust führen?
- Im Zusammenhang mit der vorangegangen Frage: Ab wann macht der Grundgedanke „steuerliche Querverbund“ außerdem keinen Sinn mehr und macht einen Ausgleich deshalb erforderlich? Was soll aus der Sicht der Stadt Vorrang haben: steuerliche Querverbund oder Substanzerhaltung?
b) gemischte Geschäftsbereiche
Für den Fall, dass ein solcher Freistellungsanspruch besteht oder die Stadt aus anderen wirtschaftlichen Notwendigkeiten zum Ausgleich „verpflichtet“ ist, bitte ich um eine Erläuterung bei gemischten Geschäftsbereichen. Damit meine ich diejenigen Geschäftsbereiche, die sowohl Elemente der Daseinsfürsorge als auch rein wirtschaftliche Interessen ohne jegliche Gemeinwohlverpflichtung enthalten. Zum Beispiel der Geschäftsbereich „Strom“: während die Energiegrundversorgung wohl zur Daseinsfürsorge zählt, handelt das KU beim Stromvertrieb rein wirtschaftlich.
- Wie sind hier die Ausgleichszahlungen zu bewerten?
- Könnte hier soweit innerhalb des Geschäftsbereichs differenziert werden, um die Beihilfe-Problematik, vor allem die Notifizierungspflicht nach Art. 108 Abs.3 AEUV, zu verhindern (insbesondere bei Vorliegen der Voraussetzungen der Freistellungsentscheidung der EU- Kommission/ EuGH-Urteil „Altmark“)?
c) Geschäftsbereiche mit Subventionierungsfunktion
Das KU hat auch Geschäftsbereiche, deren Defizite aus dem berechtigten politischen Willen herrühren, die Innenstadt zu subventionieren. Paradebeispiel ist hierbei der Geschäftsbereich „Tiefgaragen“. Die erhobenen Gebühren sind nicht kostendeckend, da die Innenstadt subventioniert wird.
- Wie sind diese Geschäftsbereiche zu bewerten, wenn man den Umstand beachtet, dass die Stadt Empfängerin der mit der Innenstadt in Kontext stehenden Steuern ist? Ist die indirekte Subventionierung Aufgabe eines grundsätzlich wirtschaftlich orientierten Unternehmens oder muss nicht gerade die Stadt dies ausgleichen?
- Gleichzeitig wird in diesem Zusammenhang immer wieder angeführt, dass die Stadt den gewinnbringenden Geschäftsbereich „oberirdisches Parken“ selber behalten hat und damit ein ungleiches Spiel mit dem KU führt. Wie hoch ist der Gewinn tatsächlich, wenn man vom Umsatz sämtlichen Aufwand abzieht (Personalkosten für Parkwächter, Erhaltungskosten usw)? In welche Relation ist ein etwaiger Gewinn beim oberirdischen Parken mit dem Defizit bei den Tiefgaragen zu setzen, wenn man über mögliche Ausgleichszahlungen diskutiert?
d) Hintergrundfragen
- Gab es bereits hinsichtlich Ausgleichszahlungen Gespräche zwischen Stadt und KU?
- Welche Vorteile hätten Ausgleichszahlungen auf freiwilliger Basis, wenn man Stadt und KU als Gesamtkomplex ansieht (z.B ein Zinsgefälle der aufzunehmenden oder zu tilgenden Kredite)?
- Besteht die Möglichkeit einer vertraglichen Regelung der Ausgleichszahlungen?
- Sofern es einen gesetzlichen Freistellungsanspruch des KU gegen die Stadt gibt: kann hier vom Gesetz durch Vertrag abgewichen werden?
2. Vorrangiges Ziel: Planungssicherheit für Stadt und KU
Unabhängig von der rechtlichen Einordnung der Geschäftsbereiche und Bewertung von Ausgleichszahlungen ist das eigentliche Problem im System begründet:
Auf der einen Seite ist der Verwaltungsrat zur Kontrolle des Vorstands und zum wirtschaftlichen Handeln verpflichtet. Den Willen einen in erster Linie wirtschaftlich denkenden Verwaltungsrat haben zu wollen, hat der Stadtrat und Verwaltungsrat auch durch Zustimmung zu dem Antrag der Landsberger Mitte vom 29.01.2013 kund getan.
Auf der anderen Seite unterliegt genau dieser Verwaltungsrat gemäß Art. 90 Abs. 2 Satz 4 GO bei Satzungen und Verordnungen den Weisungen des Stadtrates. Nach der Theorie ist der Stadtrat kein Legislativ- sondern ein Exekutivorgan; faktisch ist der Stadtrat aber in seinen Entscheidungen weitgehend politisch geprägt.
Die Mitglieder des Verwaltungsrats sind dabei gleichzeitig auch Mitglieder des Stadtrats. So ist es in der Vergangenheit nicht selten passiert, dass sich der Verwaltungsrat wirtschaftlich positioniert hat und dann, durch politischen Druck motiviert, vom Stadtrat eine entgegenstehende Weisung erhalten hat.
Jede dieser Entscheidungen, egal ob wirtschaftlich oder politisch, hat ihre Berechtigung. Jedoch kann dadurch keine Planungssicherheit für das KU hergestellt werden. Vielmehr wird das KU durch das Verhalten der zwei Gremien und durch die gegenwärtige gesetzliche Lage zum Teil zum Spielball der Politik.
Planungssicherheit für das KU kann nur erreicht werden, indem politisch anfällige Geschäftsbereiche mittels Ausgleichsvereinbarung von der Stadt übernommen werden (politisch anfällig sind dabei insbesondere die Gebührensatzungen für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen).
Nur die Vereinbarung von Ausgleichszahlungen würde aber den Beginn eines Teufelskreises bedeuten, da eine solche Vereinbarung dann auf die Kosten der Planungssicherheit des städtischen Haushaltes ginge.
Als Stadtrat und Verwaltungsrat in Personalunion sitzt man daher immer zwischen den Stühlen.
Meine Frage ist daher:
Gibt es zu der Problematik „Planungssicherheit“ für KU und Stadt bereits Lösungsansätze bzw. wie könnten diese zwischen KU und Stadt geregelt werden?
Mit freundlichen Grüßen
Jonas Pioch
Fraktion der
Landsberger Mitte