Abschied Nach 22 Jahren endet heute der Zivildienst in der offenen Behindertenarbeit. Meldungen von Freiwilligen bleiben nahezu aus
VON DIETER SCHÖNDORFER
Landkreis Die letzte Generation der Zivildienstleistenden hat heute ihren letzten Arbeitstag im Landsberger Sozialzentrum St. Martin. Korbinian Hiemesch, Christopher Huber, Franz Handschuh und Felix Nichelmann werden damit eine 22 Jahre dauernde Ära beenden, denn mit der Aussetzung des Wehrdienstes wird auch der Zivildienst künftig aus dem Betreuungsalltag in seiner bisherigen Form verschwinden und in einen Bundesfreiwilligendienst überführt, der mit dem 1. Juli seine Wirksamkeit erfährt.
Seit Beginn der Offenen Behindertenarbeit (OBA) im Jahr 1989 waren 79 Zivildienstleistende (ZDL) bereit, zusätzliche individuelle Hilfen für Menschen mit Behinderung zu erbringen. Das Aufgabengebiet der OBA-ZDL umfasst individuelle Schwerstbehindertenbetreuung, Hilfe zur Pflege, hauswirtschaftliche Hilfen, Freizeit- und Urlaubsbegleitung, Familienunterstützung und persönliche Assistenz.
„Noch haben wir keine Meldungen für den neuen Bundesfreiwilligendienst, der am 1. Juli beginnen wird“, sagt Hans-Peter Bichler, Leiter der OBA, „deshalb suchen wir dringend Hilfskräfte, um den Schul- und Hochschulbesuch schwerbehinderter Schüler und Studenten sicherzustellen.“ Vier Stellen gelte es zu besetzen, zwei im Schulbereich und zwei an der Hochschule. Noch hat Hans-Peter Bichler Luft, denn vorübergehend konnte er „Aushilfskräfte“ zur Betreuung organisieren. „Das sind zum Teil Schüler, die gerade ihr Abitur bauen oder ehemalige Studentinnen.“ Dabei sei ihm entgegengekommen, dass sich einer der auf einen Rollstuhl angewiesenen Klienten, der Landsberger Stadtrat und Jurastudent Jonas Pioch, selbst um einen Begleiter gekümmert hat. Doch dabei handle es sich wie in den anderen Fällen auch um eine Übergangslösung, meistens befristet bis Ende Juli oder maximal bis zum September. Bis dahin müsse Hans-Peter Bichler „alle Hebel“ in Bewegung setzen, was bedeutet, dass er erneut mit dem Arbeitsamt kooperiert, Schulen informiert, Aushänge anbringt und auf den sozialen Bereich der Fachoberschule in Landsberg zugehen wird.
Der Kontakt zwischen Zivis und Klient, so wirbt Bichler, sei in den meisten Fällen eine bereichernde Beziehung für beide Beteiligten. In den letzten zehn Jahren entwickelte sich als Schwerpunkttätigkeit die Schul- und Hochschulbegleitung behinderter Schüler und Studenten. „Hut ab vor der Leistung dieser jungen Männer, die mit Freude und Engagement jeden Tag zuverlässig ihren sozialen Dienst erfüllt haben“, sagt Bichler. Obwohl die Klienten, also die zu betreuenden Personen, mit der kontinuierlich kürzer werdenden Dienstzeit immer schneller einen neuen Zivildienstleistenden kennen- und anlernen mussten, bedauern sie trotzdem das Ende des Zivildienstes und sehen bangen Herzens einer ungewissen Zukunft entgegen.
Helfen hilft der eigenen Seele
Einem der Scheidenden, Franz Handschuh, werden vor allem die Erfahrungen auf menschlicher Ebene wohl am eindrucksvollsten in Erinnerung bleiben. „Zurückblickend ist es schön zu wissen, dass das Helfen eines Menschen auch der eigenen Seele heilsam ist.“
Ähnlich empfanden auch frühere Zivildienstleistende die Arbeit bei der OBA in Landsberg. Für Nici Malicki waren die Erfahrungen derart prägend, dass er sich für einen Beruf im Gesundheitsbereich entschieden hat: „Rückblickend war die Zeit für mich enorm wertvoll.“
Kurz und knapp fasst Philipp Huber seine Zivildienstzeit zusammen: „Ein kleiner Schritt ins Berufsleben, aber ein großer Schritt in Richtung erwachsen werden, Verantwortung übernehmen und an die Zukunft denken.“ Korbinian Hiemesch, dessen Zivizeit heute ausläuft, wird sein Engagement auf „freiberuflicher“ Basis noch um ein paar Wochen verlängern.